
Endlich bin ich hinter das Geheimnis der Berge gekommen.
Ich weiß jetzt, dass ich regelmäßig an einem ganz bestimmten Zauber mitwirke.
Ein mir bekannter Zauberer hat einen besonderen Trick entwickelt.
Von Maulwurfshügeln zu Bergen
Er kann jeden Maulwurfshügel in einen Berg verwandeln.
Und zwar genau so schnell wie im Märchen üblich, von jetzt auf gleich.
Mein Anteil am Zauber besteht darin, den Berg zu sehen und auch tatsächlich zu glauben, dass er da ist.
Der Zauberer ist ein solcher Meister im Berge zaubern geworden, dass er mittlerweile selbst an die Berge glaubt.
Anfangs war er sich möglicherweise noch darüber bewusst, dass er ja einen Maulwurfshügel als Ausgangsmaterial genommen hat.
Mit der Zeit jedoch waren seine Zauberberge so wunderbar majestätisch und mächtig geworden, dass er selbst seinem Zauber anheimfiel.
Der Zauber wirkt jedes Mal aufs Neue überzeugend
Sobald also ein unüberwindlich scheinender Berg vor uns aufsteigt – jedes Mal frisch herbeigezaubert – glauben wir, dass er tatsächlich so unüberwindbar ist, wie er aussieht.
Würde uns einfallen, dass es ja ein Zauber ist und der Berg in Wirklichkeit ein Maulwurfshügel, könnten wir viel schneller unseren Weg beschreiten.
Das war allerdings bis jetzt kaum möglich, da ich das Geheimnis noch nicht gelüftet hatte.
Der Zauber lief bisher jedes Mal ganz ähnlich ab.
Der Maulwurfshügel liegt auf dem Weg des Zauberers und es wäre ein Leichtes für ihn, über ihn hinwegzusteigen und sein Ziel für den Tag zügig zu erreichen.
Zauberer zaubern nun mal gerne
Allerdings wäre es eines Zauberers recht unwürdig, so schnell und leicht ein Ziel zu erreichen, ohne wenigstens eine kleine Kostprobe seiner Zauberkräfte gezeigt zu haben.
Daher wird der Maulwurfshügel innerhalb einer Millisekunde zu einem Berg.
Und jetzt kann der Zauberer zaudern und hadern mit dem schwierigen Weg, der vor ihm zu liegen scheint.
Dieses Zaudern und Hadern pflegt er jedes Mal mit Wonne.
Und er findet immer neue Arten, sich darüber auszulassen, warum ausgerechnet dieser Berg so einzigartig schwierig zu überwinden ist.
Dann darf auch ich am Zauber mitwirken, indem ich dem Zauberer Mut mache und ihn auf alle erdenklichen Möglichkeiten aufmerksam mache, wie der Berg zu bezwingen sein könnte.
Anschließend erinnere ich ihn daran, wie er die Berge der letzten Zeit erklommen und welcher Mittel er sich dabei bedient hat.
Jedes Mal verfällt der Zauberer seinem eigenen Werk
Der Zauberer ist dann so sehr in sein Werk versunken und glaubt selbst so sehr an die Unüberwindbarkeit des Berges, dass er meint, jedes Mal neu den Weg zum Ziel erfinden zu müssen.
Manchmal ist er richtig erschöpft und unglücklich, dass er einen solch mächtigen Berg zu besteigen hat.
Er ist ein so mächtiger Zauberer, dass er selbst seinem Zauber am meisten glaubt.
Doch jetzt, wo ich das Geheimnis entdeckt habe, werde ich ihn daran erinnern, dass er uns gerade einen Berg gezaubert hat.
Der eigentlich ein Maulwurfshügel ist, ein netter, freundlicher Maulwurfshügel.
Dessen Aufgabe darin besteht, den Weg zum Ziel einfach ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten.
Eine Aufgabe in ein echtes Problem verwandeln
Sicher kannst Du Dir vorstellen, wofür der Maulwurfshügel und der Berg in dieser Geschichte stehen.
Es ist die Geschichte der Kunst, aus einer kleinen Herausforderung ein großes Problem zu machen.
Das können und tun wir Menschen alle mehr oder weniger erfolgreich.
Vielleicht kennst Du das auch von Dir selbst oder von einem Menschen in Deinem Leben.
Anstatt innezuhalten und das, was da als Aufgabe an Dich herangetragen wird, in Ruhe anzuschauen, zauberst Du Dir ein echtes Problem daraus.
Dann überlegst Du Dir möglicherweise, welche Hindernisse diese Aufgabe mit sich bringt und wie schwierig es wird, sie zu erledigen.
Der Zauber hat seinen Preis
Hilfreicher wäre es, einen Schritt zurückzugehen und erst einmal zu überlegen, wie groß der Maulwurfshügel wirklich ist und was Du alles schon zur Verfügung hast, um ihn zu übersteigen.
Der Zauberer fühlt sich gut, wenn er einen großen Berg erklommen hat, anstatt einfach nur einen kleinen Maulwurfshügel.
Aber er zahlt dafür regelmäßig einen hohen Preis.
Und nicht nur er, sondern auch alle Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung, die er mit verzaubert, indem sie ebenfalls an das Vorhandensein des Berges glauben.
Dabei gibt es auf jedem Weg mehr als genug Berge und damit Aufgaben, die wir erledigen dürfen.
Von daher gibt es keinen Grund, noch zusätzlich Zauberberge auf den Weg zu zaubern.
Ich wünsche Dir, dass Du ein gesundes Gleichgewicht aus Maulwurfshügeln und Bergen auf Deinem Weg vorfindest.
Und Dich jederzeit an die Mittel und Wege erinnerst, die Du brauchst, um sie zu erklimmen.
Alles Liebe
Claudia