
Mein Herr Perfektionismus ist zwar für ein Jahr unterwegs und wird seinen Job in dieser Form auch nicht zurückbekommen.
Dennoch kann ich mir Perfektionismus in Reinkultur nahezu täglich anschauen.
Eines meiner Kinder hat scheinbar auch einen perfektionistischen Anteil in sich und das nicht erst seit gestern.
Woher Perfektionismus stammt, ist nur teilweise geklärt
Wie sich Perfektionismus in einem Menschen ansiedelt, ob er vererbt ist oder woher er sonst stammen könnte, ist noch nicht endgültig geklärt.
Sicher ist aber, dass Kinder sich viele Eigenschaften bei ihren Eltern abschauen und sie nachahmen.
Das könnte die perfektionistischen Tendenzen bei meinem Kind zum Teil erklären.
Andererseits haben wir darauf geachtet, dass wir unseren Kindern keine unrealistischen Erwartungen entgegenbringen, indem wir sie ständig miteinander vergleichen und zu Höchstleistungen antreiben.
Hat Dich auch der Perfektionismus im Griff?
Jetzt, mit Abstand von meinem Herrn Perfektionismus, habe ich einen noch klareren Blick für die Eigenschaften dieses Anteils entwickelt.
Du kannst anhand der folgenden Schilderung einmal überprüfen, ob Du auch so einen Anteil in Dir vermutest und wie sehr er Dich im Griff hat:
Sobald eine Aufgabe etwas komplexer wird, tauchst Du erst einmal ab.
Du denkst, dass Du diese Aufgabe sowieso nicht meistern wirst und bekommst es mit der Angst zu tun.
Daher weigerst Du Dich, mit der Aufgabe zu beginnen, auch wenn Dir vollkommen klar ist, dass sie erledigt werden muss.
Du suchst Ausflüchte und lenkst Dich mit allerlei anderen Dingen ab, die scheinbar noch dringender erledigt werden müssen.
Eine lähmende Lustlosigkeit erfasst Dich und Du wirst auf einmal sehr müde.
Oder die Langeweile schaut bei Dir vorbei und obwohl Du ja die Aufgabe vor Dir hast, ignorierst Du sie nach Kräften.
Der Termin zur Abgabe Deiner Aufgabe rückt jetzt so nahe, dass Du in Stress gerätst.
Da Du nicht mehr anders kannst, beginnst Du mit der Aufgabe.
Die Aufgabe ist gar nicht so schlimm, wie Du dachtest
Bei näherem Hinsehen fällt Dir auf, dass der Verfasser der Aufgabe ein paar Rechtschreib-, Grammatik- und/oder Zeichensetzungsfehler gemacht hat.
Dein perfektionistischer Anteil in Dir ist stolz auf Dich, dass Du die Fehler entdeckt hast.
Jetzt merkst Du, dass die Aufgabe gar nicht so schlimm ist und Du bereust, dass Du nicht eher begonnen hast.
Viel Zeit ging damit verloren, dass Du über Sinn und Unsinn der Aufgabe nachgedacht hast.
Du schießt über das Ziel hinaus
Die Aufgabe macht Dir mittlerweile Spaß und anstatt Dich mit dem Ergebnis zufrieden zu geben, feilst Du weiter am Text herum.
Du fügst besondere Zeichen oder Emojis hinzu und suchst ein paar passende Bilder zum Text heraus.
Da Dir der Aufbau Deines Ergebnisses noch nicht zu 100% gefällt, stellst Du die Inhalte komplett um.
Dann formatierst Du so lange, bis alles wunderbar ausgerichtet untereinander steht.
Laut DIN-Norm ist jetzt alles perfekt.
Einige Zeit später…
Nebenbei hast Du für Dich noch ein paar Textbausteine abgespeichert und eine neue Schriftart installiert, die besonders gut zum Thema passt.
Jetzt scannst Du Dein Ergebnis und stellst den Scanner auf die höchstmögliche Qualität ein.
Dadurch wird zwar die Größe der Anlagen unnötig aufgeplustert, aber das ist Dir egal.
Hauptsache, alles sieht P.E.R.F.E.K.T. aus und Dein Auftraggeber ist begeistert.
So lautet die Zusammenfassung
Du startest aufgrund von Angst vor Deinem Unvermögen viel zu spät mit der Aufgabe.
Schaffst dann das Unmögliche und glänzt am Ende mit einem Ergebnis, das Deinen Perfektionismus strahlen lässt.
Wenn Dir Dein Auftraggeber seine Zufriedenheit mit einigem Überschwang übermittelt, siehst Du Dich bestätigt.
„Siehst Du, die Anstrengung hat sich doch gelohnt!“
Das Muster verfestigt sich
Damit wird der perfektionistische Anteil – wieder einmal – gelobt und Du vergisst, wieviel Stress und Unbehagen Du anfangs gespürt hast.
Das schleift nach und nach Dein perfektionistisches Muster ein und Du gehst immer wieder auf die gleiche Weise an Deine Aufgaben heran.
Perfektionismus ist eine Eigenschaft, die äußerst hartnäckig festsitzt und von der Du Dich kaum lösen kannst, manchmal sogar nicht einmal willst.
Ist doch toll, wenn am Ende alle immer so begeistert sind, oder?
Ja und Nein.
Klar ist es ganz wunderbar, wenn Du Verantwortung für Deine Aufgaben übernimmst und sie so gut erledigst, dass alle Seiten zufrieden sind.
Das hat allerdings nicht unbedingt etwas mit perfekt sein müssen zu tun.
Jeder verantwortungsvolle Mensch erledigt seine Aufgaben so, dass der Auftraggeber zufrieden ist.
Allerdings gehst Du ja nicht nur hin und erledigst eine Aufgabe.
Du verwendest einen großen Teil Deiner Energie und Kraft dafür, ein perfektes Ergebnis zu erzielen.
Auch Deine Energie ist irgendwann aufgebraucht
Diese Energie fehlt Dir dann an anderer Stelle, denn es gibt ja meistens nicht nur eine Aufgabe zu erledigen, sondern viele.
Und dann kommst Du ins Schleudern, weil Dir die Zeit fehlt.
Unnötiger Stress entsteht und Du machst Dich fertig dafür, dass Du nicht schneller, koordinierter, überlegter handelst.
Von der manchmal fehlenden Anerkennung, wenn jemand nicht einmal erkennt, wie perfekt Du gearbeitet hast, ganz zu schweigen.
Hast Du Dich in der Schilderung wiedererkannt?
Was dahinterstecken könnte, wenn Du einen perfektionistischen Anteil beherbergst, erzähle ich Dir im Artikel von morgen.
Alles Liebe
Claudia