
Vielleicht geht es Dir manchmal ähnlich. Du möchtest etwas Kreatives (er)schaffen und reservierst Dir Zeit dafür.
Bestimmt hast Du auch schon öfter Informationen darüber gehört oder gelesen, wie Du in einen kreativen Flow kommst. In meinem heutigen Beispiel möchte ich diesen Flow „Gedankenzug“ nennen.
Oft kannst Du lesen, dass Du Dich dafür entspannen sollst, am besten an nichts denken und einfach Tagträumen. Dann kann Dein Gehirn scheinbar am allerbesten neue Verbindungen in Deinem neuronalen Netzwerk herstellen.
Der Gedankenzug fährt nicht
Wunderbar! Du setzt Dich also mit einer gut gefüllten Tasche Zeit in Deinen Gedankenzug. Mit Deinem Vorhaben, loszufahren und dabei tagzuträumen, hast Du schon einen entscheidenden Schritt unternommen.
Doch was ist das? Der Zug fährt nicht los. Woran liegt es bloß?
Du schaust auf die Uhr und siehst, dass Du genau zur ausgesuchten Uhrzeit im Zug sitzt. Laut Plan sollte er also jetzt abfahren.
Vielleicht bist Du noch nicht entspannt genug? Du atmest bewusst dreimal tief und langsam ein und aus, lässt Dich noch entspannter in den Sitz hineinsinken, doch es passiert immer noch nichts.
Du wirst nervös
Nach ein paar Minuten rutschst Du nervös auf Deinen Sitz hin und her.
Jetzt hast Du Dir extra diesen Platz in der ersten Klasse für die Fahrt im Gedankenzug reserviert und aus irgendeinem Grund fährt er nicht ab.
Du stehst auf und schaust durch das Fenster auf die Uhr am Bahnsteig: Doch, sie zeigt genau die gleiche Zeit wie Deine Armbanduhr. An der Uhrzeit kann es also nicht liegen.
Du prüfst nach, ob Du auch genügend Zeit in Deiner Tasche dabeihast, und ja, sie ist prall gefüllt und kannst aus dem Vollen schöpfen.
Du beschließt, Deine Mitreisenden zu beobachten, ehe Du den Schaffner suchen gehst, um ihn nach Informationen zu fragen.
Die Mitreisenden scheinen das Geheimnis zu kennen
Ein Mann sitzt im Vierersitz neben Dir und Du stellst verwundert fest, dass er die Fahrt nicht ganz so ernst zu nehmen scheint.
Er lenkt sich nämlich ab, was doch laut den Reiseinformationen, die Du vorher gelesen hast, gar nicht gut sein soll.
Er hört Musik und hat seine Augen halb geschlossen, während er leicht zum Rhythmus des gerade laufenden Songs nickt.
Ihm gegenüber hat eine alte Dame Platz genommen, die gedankenverloren den Wolken am Himmel nachschaut, während sie ihre Bahnen ziehen. Auch bei ihr scheinen die Augen nicht ganz offen zu sein und sie lächelt still vor sich hin.
Jetzt öffnet sich die Tür und eine junge Frau kommt herein. Sie fragt Dich, ob Sie Dir gegenüber Platz nehmen darf.
Superbequeme Sitzplätze erlauben jeden Komfort
Der Gedankenzug ist zum Glück höchst komfortabel eingerichtet, so dass jede*r Mitreisende den Sitz genau so einstellen kann, wie er oder sie es braucht.
Was auch toll ist: Jede*r hat einen eigenen Klapptisch, den er oder sie sich in passender Höhe und Entfernung vom Sitz zurechtklappen kann.
Genau das macht jetzt die junge Frau, nachdem Du ihr freundlich zugenickt und damit Dein O.K. fürs Platznehmen Dir gegenüber signalisiert hast.
Du traust Deinen Augen kaum, als sie eine Bluse, eine Decke und ein Bügeleisen aus ihrer Tasche zieht.
Ganz in Ruhe breitet sie erst die Decke auf ihrem Tisch aus, um dann das Bügeleisen einzustecken, dass sich aufheizt, während sie die Bluse so zurechtlegt, dass sie bügelbereit ist.
Entspannung pur durch Bügeln?
Dein Gesicht scheint Bände zu sprechen und sie lacht, als sie Dir verrät: „Beim Bügeln kann ich mich immer besonders gut entspannen.
Da kommen mir jedes Mal die frischesten Ideen in den Sinn, wie es mit meinem Roman weitergehen soll!“
Langsam dämmert es Dir, dass Du eventuell etwas missverstanden hast, als Du Deinen Platz in diesem Gedankenzug reserviert hast.
Auf dieser Fahrt scheint es darum zu gehen, sich nicht „aktiv entspannen“ zu wollen, sondern etwas anderes zu tun.
Etwas, das Dein Gehirn zwar beschäftigt, aber so wenig Denkenergie verbraucht, dass noch genügend Zugkraft übrig ist, damit sich Dein Gedankenzug in Bewegung setzen kann.
Das erklärt, warum Du mit Deinen üblichen Entspannungstechniken öfter mal scheiterst.
Langweile Dein Gehirn, dann geht die Fahrt los
In diesem Gedankenzug kommt es darauf an, Dich mit einer Tätigkeit zu beschäftigen, die so langweilig ist, dass Dein Gehirn freiwillig in den Gedankenzug steigt und Dein neurales Netzwerk erweitert, woraufhin Dir eine Idee nach der anderen in den Schoß fällt.
Jetzt, da Du es verstanden hast, möchtest Du es auch gleich ausprobieren.
Du holst Dir das Buch aus der Tasche, bei dem Deine Gedanken ganz automatisch anfangen abzuschweifen, weil Du das Thema – wenn Du ehrlich bist – gar nicht so spannend findest.
Spannend genug, um anfangen zu lesen, aber eben auch langweilig genug, um den Gedankenzug losfahren zu lassen.
Du kannst Dein Gehirn also damit locken, indem Du eine wohlbekannte Tätigkeit ausführst, die Du mit schlafwandlerischer Sicherheit beherrschst.
Das Gleiche kann auch das Hören von bestimmter Musik oder eines eintönigen Vortrags bewirken.
Oder Du fährst mit dem Auto eine bekannte Strecke und lauschst unterwegs Deinem Gedankenzug, statt wie sonst Musik aufzudrehen und laut mitzusingen.
Probiere es gerne einmal aus, wenn Du merkst, dass Dir aktive Entspannung beim Finden neuer Ideen eher im Weg steht.
Ich wünsche Dir viele kreative Einfälle im Gedankenzug!
Alles Liebe
Claudia
Abgefahren, die Idee mit dem Gedankenzug!! Toll! Darauf wäre ich nie gekommen. Dein Humor beim näheren Betrachten eines Themas gefällt mir, damit kann ich was anfangen.
Herzlichen Gruß aus der freiwillig auferlegten Quarantäne der Corona – Zeit Gisela